Arbeitssuche Vol. 1: Hartz 4 and me

Frau lesend und sitzend am Tisch

Hartz 4 ist ein Tabuthema, wer drin ist, hat ein Stigma. Das Rauskommen dauert und erfordert Selbstdisziplin und das Ordnen der eigenen Ressourcen. Mein ganz aktuelles Thema. Aber wie ist eigentliche meine persönliche Ausgangslage?

Was kann ich? Was will ich erreichen? Und wie komme ich dahin? Mit diesen Fragen beschäftige ich mich schon eine Weile.

Ich gehöre – statistisch betrachtet – gleich in zwei Punkten zur Mehrheit der Alleinerziehenden: Ich bin Mutter und ich habe „nur“ ein Kind (67% der Ein-Eltern-Familien haben das). Laut dem Familienreport von 2017 waren wir 1,6 Millionen Alleinerziehende in Deutschland.  1,4 Millionen davon sind Frauen. 9 von 10 Alleinerziehenden sind also weiblich. Jede fünfte Familie in diesem Land zieht allein Kinder groß.

Mit Abi und Uni-Abschluss zähle ich zu den 17 % Alleinerziehenden mit hoher Bildung. Damit muss doch etwas anzufangen sein!

Denn das Ziel ist klar: Mein Sohn soll nicht mit einer arbeitslosen Mutter aufwachsen.

Viele Wege habe ich für mich erkundet und zähle trotzdem oder gerade deshalb in meinem Freundes – und Bekanntenkreis zu den absoluten Spätzündern, was die Karriere angeht. Viele in meinem Alter sind bereits 5 oder mehr Jahre in festen Berufen tätig. So soll es sein, das ist die Norm.

Davon abzuweichen ist nicht nur gesellschaftlich verpönt, sondern zehrt auch an den eigenen Nerven: Wer will mich denn noch? Bin ich überhaupt gut genug? Schaffe ich das alles?
Es ist schon peinlich genug, in den Öffis mit dem Berlin-Pass rumzuwedeln, damit auch ja jeder mitkriegt: ich habe ein Sozial-Ticket! Natürlich bin ich froh, in einem Land zu leben, in dem ich auch arbeitssuchend nicht unter der Brücke schlafen muss, das Kind versorgt kriege und nicht aussehe, wie der letzte Lump.

Trotzdem ist der sozialen Ungerechtigkeiten aktueller denn je. Gerade hat die Wochenzeitung „Der Freitag“ einen Hashtag ins Leben gerufen, der dem Ganzen einen Namen und Betroffenen die Gelegenheit gibt, sich zu äußern : #unten

Vielleicht sollte ich da mal meinen Senf dazu geben. Doch zurück zu meiner Situation:Schauspielen war immer meine Leidenschaft. Mit 5 wollte ich Schneewittchen sein, wurde aber nur ein Zwerg. In der Schule druchkämmte ich sämtliche Theater-AG’s, reiste mit einer professionelleren Jugendtheatergruppe nach Kasachstan und bildete mich in Workshops und Trainings weiter.

„Das ist kein richtiger Beruf“ schwebte es durch meinen Kopf. Zu ungewiss die Jobaussichten, zu schlecht das monatliche Gehalt in Festanstellung am Theater, zu nervenaufreibend die ständig neue Suche nach Projekten, mit denen man auch finanziell über die Runden kommt. „Brotlose Kunst“ lautet das ausgelutschte Schimpfwort. Mich hat diese Kunstform immer genährt. Aber nicht in finanzieller Hinsicht.

Der Broterwerb ist jetzt mit Kind und mehreren Abschlüssen auch bei mir in den Fokus gerückt. Mit Nebenjobs kann und will ich meinen Sohn und mich nicht über Wasser halten.

Einen Abschluss in Kulturwissenschaft und Spanischer Philologie hätten wir anzubieten. Etwas angestaubt und laut meiner Arbeitsvermittlerin eigentlich auch nur sinnvoll, wenn ein Master im Anschluss stattgefunden hätte. Hat er aber nicht. Reisen und die Realisation des Wunsches, Schauspielerin zu werden, standen an erster Stelle. Also doch die Ausbildung im Nachgang, wenn auch teuer bezahlt, denn für die staatliche Schauspielschule war ich bereits zu alt.

Mein Sohn kam auf die Welt und mit ihm auch eine gewisse Ernsthaftigkeit bezüglich meiner Zukunft. Aber auch eine Starre. Wo geht es hin? Wie komme ich dahin? Und was mache ich überhaupt als erstes?

Ich habe mich für mehrere Wege gleichzeitig und dann wieder gar nichts entschieden. Einige Bewerbung wurden bereit ins www geschickt, ohne nenneswerten Erfolg. Also muss noch die Weiterbildung ran.

Die Begeisterung für das Schreiben ist noch älter als jene für das Theater. Geschichten wurden bei uns immer vorgelesen. Abends vor dem Schlafen. Und die ersten selbst geschriebenen Geschichten begannen ab der zweiten Klasse, Form anzunehmen. In Deutsch sonnte ich mich im Licht der besten Aufsätze-Schreiberin der Klasse und hielt mich für sonst wie begabt – bis ich dann ins Gymnasium kam. Die erste 4 minus war ein Schock. Das Abi habe ich dann aber mit einer 2 plus geschafft. Ja, ich mag Gedichtsanalyse, aber das freie Schreiben macht mir dann doch mehr Spaß…

Schülerzeitung gegründet (sowas kannst du ja heute in keinem Lebenslauf erzählen, ohne mitleidige Lacher zu ernten) und ein paar Praktika bei namhaften Printmedien absolviert. Wo ist das VOLO? Nicht da. Mir kam das Reisen dazwischen. Aber immerhin habe ich auch hier Artikel veröffentlicht und kann damit prahlen. Zumindest ein kleiner Lichtblick.

Doll ist das im Gesamtpaket nicht. Und beeindruckend erst recht nicht, wenn ich mich mit anderen, mit bedeutenden Autorinnen und Jouralistinnen vergleiche.

Sowieso: das Vergleichen. Das abhängig sein von einem Amt, das Mittel hat, dir eine teure Weiterbildung zu zahlen. Gleichzeitig einen Master nicht zahlen würde, obwohl dieser deutlich billiger käme als jede Maßnahme und auch von den Arbeitsvermittlern als deutlich bessere Chance angesehen wird, im Arbetsmarkt Fuß zu fassen. Maßname Master, das wäre ne gute Idee.

Bei mir geht es jetzt darum, mit meinem bunt gewachsenen Früchten hausieren gehen. Exzessives Bewerben steht auf dem Plan. Der Schriftzug „Ein Job!“ prangt groß über meinem Schreibtisch als klares Ziel! Ein paar Skills habe ich. Soll ja keiner sagen, ich hätte beim Coaching im Punkt Selbstmotivation nicht aufgepasst. Klasse statt Masse lautet der allgemeine Ratschlag, was das Verfassen von Bewerbungen angeht. Masse statt Klasse lautet der von Freunden, die bereits erfolgreich ins Berufsleben eingestiegen sind.

Ich probiere einfach alles und schreibe wieder, was klappt. Let´s stay in touch! (And never loose your focus…)

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